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Gottheiten aus Candomblé und Christentum im Capoeira-Liedgut

Capoeira-Lieder verstehen Teil I





Brasilien ist heute das katholischste Land der Welt. 90% der Brasilianer sind katholisch getauft. Häufig sieht man Capoeiristas, die sich vor Beginn des Jogos bekreuzigen, um für das Spiel Gottes Schutz zu erbitten. In Fortaleza habe ich es sogar mehr als einmal erlebt, dass vor Beginn der Roda gemeinsam das Vaterunser gebetet wurde! Für mich als Deutsche, in deren Land Religion etwas ist, das vorrangig in der Kirche stattfindet, sehr kurios!


Sao Bento

Der christliche Heilige, der wohl am prominentesten in der Capoeira-Musik vorkommt, ist Sao Bento (Heiliger Benedikt). Nach Sao Bento sind sogar mehrere Toques benannt. Häufig referenzieren die Gesänge auf diese Toque, und nicht auf den Schutzpatron selbst.


Ai ai ai ai ai Ai ai ai ai ai

Sao Bento me chama Sao Bento ruft mich

Ai ai ai ai ai Ai ai ai ai ai


Sao Bento chamou Sao Bento hat gerufen


Weitere katholische Heilige, die uns in den Capoeira-Liedern gelegentlich begegnen sind O Senhor do Bonfim (dabei handelt es sich um Jesus – er ist auch der Schutzpatron von Salvador da Bahia) und San Antonio (der heilige Antonius).


San Antonio quero agua San Antonio ich erbitte Wasser

Quero agau pra beber Erbitte Wasser zum Trinken

Quero agua pra lavar Erbitte Wasser zum Waschen

Quero agua pra bencer Erbitte Wasser zum Segnen

Eu quero agua Ich erbitte Wasser


Nichtsdestotrotz spielen auch und vor allem afrobrasilianische Religionen bis heute eine große Rolle in der Capoeira, allen voran der Candomblé, der auf verschiedenereligiöse Kulte aus vorwiegend Westafrika zurückgeht. Im Candomblé gibt es eine Vielzahl von Göttern (die sogenannten orixás), von denen viele auch eine Entsprechung in einem katholischen Heiligen haben. Einige kommen häufiger, andere eher selten in unseren Liedern vor (nachfolgend eine kleine Auswahl):


Yemanja (oder Iemanja)


Sie ist die Göttin des Meeres und Schutzheilige der Seefahrer und Fischer.

Die Geschichte der Capoeira ist untrennbar mit dem Meer verbunden. Nach Ende der Sklavenzeit lebte ein großer Teil der ehemaligen Sklaven und ihrer Nachkommen von der Fischerei. Sich auf das offene Meer zu begeben war zu dieser Zeit immer mit großen Gefahren verbunden. Daher wurde Yemanja besonders häufig um Schutz angebetet. Die Verehrung dieser orixá hat Eingang in zahlreiche Capoeira-Lieder gefunden.

Zum Beispiel:


Era domingo era um dia de oferendas Es war Sonntag, ein Tag voller Verheißungen

e eu levei flores pra Iemanjá Und ich brachte Yemanja Blumen dar

fui celebrar Janaina rainha menina Jaiaina, dem Königsmädchen, zu huldigen

Iemanjá que e a dona do mar Yemanja ist die Herrin des Meeres


Xango


Der Gott des Gewitters. Er entspricht im katholischen Glauben dem Hl. Hieronymus.


E mesmo assim nesse dia Und genauso an diesem Tag

Meu coração quase parou wäre mir beinahe das Herz stehen geblieben

A água rodou lá na pedreira Das Wasser lief dort im Steinbruch

Eu sou filho de Xangô Ich bin der Sohn Xangos


Ogún (oder Ogúm)


Der Gott des Krieges und des Eisens. Ein alter Bekannter, denn er entspricht dem oben bereits erwähnten Hl. Antonius.


Eu sou filho de Ogum Ich bin der Sohn Oguns

sobrinho da Yemanja Neffe von Yemanja

Tanto faz se eu to na terra es ist ganz gleich ob ich an Land bin

to nas aguas ou to no mar im Wasser oder im Meer

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