Interview mit Contra Mestra Janaina (CDO)
Wie bist du zur Capoeira und schließlich bis nach Deutschland gekommen?
Ich habe Capoeira in Sao Paulo angefangen. Es gab eine Academia in der Nähe meines Hauses und ich konnte die Musik hören. Das war die Akademie von Mestre Suassuna. Ich war damals 17 Jahre alt, das war im Jahr 1999. Ich dachte damals gar nicht darüber nach, irgendwann einmal selbst zu unterrichten, sondern hatte einfach Spaß am Training.
Nun, es kam anders. Nach vielen Jahren beschloss mein Mestre im Jahr 2013, mich zur Professora zu graduieren. Und ich dachte, „Nein, ich will diese Graduierung nicht. Ich unterrichte ja nicht, und deshalb fühle ich mich auch nicht als Professora.“ Und er sagte: „Problem gelöst – ich graduiere dich, und wenn du unterrichten möchtest, dann tu es.“ Und ich antwortete „Okay“ (lacht). So fing ich an, Capoeira-Unterricht zu geben. Aber ich habe da noch gar nicht an eine eigene Gruppe gedacht.
Und wie kam ich hierher? Ein Freund von mir, Mestre Primo, lebt in Bologna und lud mich vor einigen Jahren zu seinem Event ein. Es gefiel mir total gut. Es gibt so viele Capoeira-Frauen in Europa! Ich liebte die Energie und bekam Lust, selbst in Europa zu leben. In dieser Zeit verliebte ich mich in jemanden aus Deutschland. Seine Familie lebte in Freising und ich beschloss, hierher zu kommen und von der Capoeira zu leben. So verschlug es mich vor 6 Jahren nach München!
Wer hat dich auf deinem Weg besonders inspiriert?
Viele Menschen! Als ich mit der Capoeira anfing, gab es noch nicht so viele Frauen in der Capoeira, nur einige wenige, zum Beispiel aus meiner Gruppe Cordão de Ouro: Mestra Lu Pimenta und Mestra Morena. Mestra Mara, von der Gruppe Herança Cultural, die wirklich sehr gut ist! Dann natürlich mein Mestre, Mestre Suassuna. Und meine Freunde, die immer an meiner Seite waren. Dass man gemeinsam wächst, hat mich sehr motiviert. Weil ich mich dann auf meinem Weg nie allein fühlte.
Hast du einen Signature Move? Oder Bewegungen, die du besonders magst?
Das hat mich noch nie jemand gefragt (lacht). Mir gefällt es mit der Idee kontinuierlicher Bewegung in der Roda zu arbeiten. Ich mag auch „einfache“ Bewegungen, wie Au und Variationen davon. Es ist nicht eine Bewegung oder ein Tritt, den ich mag, sondern wie man Tritte und Bewegungen im Spiel immer neu zusammensetzen kann.
Hattest du schon mal eine Krise? Wie motivierst du Dich in schwierigen Zeiten zum Weitermachen?
Eine? Viele (lacht)! Ich glaube, die Frage der Motivation ist eine der wichtigsten und schwierigsten Fragen in der Capoeira. Weil man sich die ganze Zeit motivieren muss, jeden einzelnen Tag. Man arbeitet immer an Bewegungen, die noch nicht klappen oder es passieren andere Sachen, die einen nicht unbedingt glücklich machen. Es ist nicht einfach, zu trainieren. Und nicht einfach, zu spielen! Das Training gibt mir aber trotz der Schwierigkeiten immer irgendetwas zurück. Außerdem motiviert mich die Energie der Rodas. Wenn die Roda dann rum ist, denke ich „Okay, es lohnt sich doch!“ (lacht). Ich will dann wieder mehr, ich will weiter trainieren und mich weiter verbessern.
Krisen hatte ich besonders bei Verletzungen. Ich habe schon seit vielen Jahren Knieprobleme und ich versuche dann eben so zu trainieren, dass es meinem Körper trotzdem gut tut. Das Gute an der Capoeira ist ja, dass es noch andere Sachen gibt, die man üben kann, wenn man verletzt ist, zum Beispiel die Musik. Als ich mir vor 15 Jahren zum ersten Mal das Knie verletzt habe, habe ich Berimbau spielen und singen gelernt. Wenn man wegen einer Sache unmotiviert ist, gibt es auch immer eine andere Sache, die man machen kann.
Und andere Personen motivieren mich auch, zum Beispiel wenn jetzt mehr Frauen, die in der Roda singen! Männer natürlich auch; insgesamt einfach guten Capoeiristas beim Spielen zuzuschauen. Auch die Schüler, die immer besser werden, motivieren mich. Sag mal, rede ich eigentlich zuviel? (lacht)
Nein! Wenn du in die Zukunft blickst, was denkst du, ob und wie sich die Capoeira verändern wird?
Die Capoeira ändert sich immer. Und ich glaube, Veränderung ist auch ganz wichtig. Gleichzeitig ist es aber immer auch schwer, Veränderungen zuzulassen. In meiner Gruppe beispielsweise gibt es den Miudinho-Stil. Mestre Suassuna hat diesen entwickelt, weil das Spiel zu dieser Zeit immer sehr aggressiv war. Ihm schwebte etwas anderes, ausgewogeneres vor, ein Stil ohne diese Aggression. So entwickelte er Miudinho. Die Veränderung ergab sich aus der Notwendigkeit der aktuellen Situation heraus.
Daher ja, die Capoeira wird sich ganz sicher verändern. Aber was genau sich ändern wird, weiß ich noch nicht, das kommt natürlich darauf an. Es könnte sehr gut werden! Ganz sicher auch weil der immer weiter wachsende Frauenanteil die Capoeira verändern wird! Den Stil, die Art der Roda und die Musik, wenn mehr Frauen in der Bateria singen.
Gerade in Europa ändert sich viel. Ich glaube die Capoeira ist hier auch ein bisschen anders als in Brasilien und das ist auch gut so. Die beiden (Capoeira in Brasilien und Europa, Anm.d.Red.) sind miteinander verwoben, wie „verzahnt“ und beeinflussen sich gegenseitig. Hier ist die Capoeira – kommt natürlich darauf an, wo man hinschaut - etwas weniger kämpferisch. Nicht insgesamt, aber nicht so permanent. Diese Balance finde ich gut - Capoeira soll nicht nur Tanz sein, aber genausowenig nur Kampf. Wo geht die Reise hin? Ein bisschen Angst habe ich manchmal um die Traditionen. Ich denke, es gibt Dinge, die man aus meiner Sicht unbedingt beibehalten sollte – zum Beispiel das Ritual der Roda oder der Respekt für die Mestres. Dieses Fundament ist wichtig. Gleichzeitig ist Entwicklung willkommen und wichtig. Es bleibt spannend…!
Contra Mestra Janaina, vielen Dank für dieses Gespräch!
Interview und Übersetzung aus dem Portugiesischen von Emcima
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